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Die Banken müssen transparenter werden – Paul Pöltner


Expertenmeinung Paul Pöltner – Gründer und Geschäftsführer CONDA Östereich

Paul Pöltner gilt als Urgestein des Bereichs Equity-based Crowdfunding in Österreich. Dabei ist anzumerken, dass landläufig Equity-based Crowdfunding alleine im deutschsprachigen Raum als Crowdinvesting bezeichnet wird. Eine wirkliche Beteiligung am Eigenkapital der Kampagnenbetreiber wird in diesem Fall nämlich nicht vollzogen. Es handelt sich vielmehr um ein partiarisches Nachrangdarlehen, das aber bilanziell als Eigenkapital dargestellt werden kann und somit die Position der Unternehmen, vor allem in der Diskussion mit Banken, stärkt.

Paul Pöltner, der auch über Crowdinvesting zahlreiche Publikationen verfasst hat, hat seine eigenen Ansichten zu dieser Finanzierungsform und den möglichen Entwicklungen und Hürden. Nach den Ursprüngen gefragt, gibt er an, dass er der Meinung ist, dass ohne die Digitalisierung die Entwicklung von Crowdfunding gar nicht in dieser Breite und Ausprägung möglich gewesen wäre. Ohne die Mittel der Digitalisierung wie soziale Medien und vernetzte Marketing-Maßnahmen wäre eine Kampagne in Umfängen, wie sie nun durchgeführt würden, zu teuer für die betreibenden Unternehmen bzw. Privatpersonen, da die Reichweite teuer eingekauft werden müsste. Social Media sieht der Experte in diesem Fall als einen der Hauptvertriebskanäle für Crowdfunding allgemein. Virale Effekte genauso wie Mund-zu-Mund-Propaganda würden zudem in diesem Bereich eine große Rolle spielen.

In Hinblick auf den generellen Einfluss der Digitalisierung im Sektor der Informationstechnologie auf die wirtschaftliche Entwicklung der westlich orientieren Länder sieht Pöltner in erster Linie zwei Bereiche: Es würden zum einen bestehende Arbeitsplätze verloren gehen, doch könnten neue Arbeitsplätze geschaffen werden, was vor allem eine Frage der Innovationskraft Europas sei. Zum anderen ändere sich die Zusammenarbeit der Menschen, sie werde globaler.

Neben der Ermöglichung des Aufkeimens von Crowdfunding-Plattformen durch die Digitalisierung sieht Pöltner drei primäre Treiber für das Aufkommen von Equity-based Crowdfunding als Finanzierungsform: Neben der Wirtschaftskrise 2009, die mit ihren Auswirkungen auf die Banken- und Geschäftswelt die globale Ökonomie erschüttert habe, sei auch ein zunehmendes Interesse in der Bevölkerung wahrzunehmen, an Innovationen teilhaben zu können. Zum anderen gäbe es kaum Investitionsmöglichkeiten für Personen, die nicht 50.000 EUR oder mehr pro Investment aufbringen könnten. Pöltner sehe in diesem Bereich keine Retail-Produkte, am ehesten noch Immobilien. Fonds-Produkte würden auch nicht diesem Profil entsprechen, während Direktanteile an Unternehmen meist auch erst ab 50.000 EUR realistisch umsetzbar wären. Dies mache Crowdinvesting für Kleinanleger so interessant.

Im Vergleich zu einer klassischen Bankfinanzierung gewähre Crowdinvesting Zugang zu Risiko- und Wagniskapital auf der Basis der Ideen sowie der Authentizität der Geschäftsführer und nicht in Abhängigkeit von vorhandenem Vermögen. Pöltner spielt in dieser Hinsicht auf die von Banken oftmals geforderten Sicherheiten an. Zudem sollten Kampagnenbetreiber auch die Möglichkeiten eines Markttestings der Produkte sowie den generellen Marketing-Effekt einer Crowdinvesting-Kampagne nicht außer Acht lassen.

Als Alternativen zu Crowdinvesting für Unternehmen der Informations- und Kommunikationsbranche in der Vergangenheit sieht Pöltner vor allem die Finanzierung über Business Angels, die Inanspruchnahme von Förderungen und den klassischen Weg über „friends, family and fools“.

Herausforderungen, mit denen Unternehmen durch Crowdinvesting konfrontiert werden, sieht der Experte vor allem in den Bereichen der notwendigen Transparenz, die von den Unternehmen gefordert werden. Zudem stünden Unternehmen verstärkt in der Öffentlichkeit, was den Druck, vor allem auf die Unternehmensleitung, erhöhen würde.

Pöltner sieht die Entwicklung von Crowdinvesting als eigene Crowdfunding-Kategorie neben den Reward-, Lending- und Donation-basierten Modellen vor allem in der Notwendigkeit einer eigenkapitalnahen Finanzierung gewisser Unternehmen begründet. Dies schaffe beispielsweise für manche Unternehmen und KMUs eine stärkere Unabhängigkeit von Banken. Das höhere Risiko, sich mittelfristig an ein Unternehmen durch ein Investment zu binden, würde dann auch eine Beteiligung an der Wertsteigerung nach sich ziehen, die durch die Struktur des partiarischen Nachrangdarlehens, das auch eine Beteiligung an der Unternehmenswertsteigerung inkludiert, verlangen. Zudem hätten die Investoren und Kleinanleger ein natürliches Interesse, an der Wertsteigerung beteiligt zu sein und zu werden.

Auf den Status Quo des Crowdinvestings im deutschsprachigen Raum angesprochen gibt Pöltner an, dass er in einer nicht abschließenden Auflistung die Plattformen CONDA, Companisto, Seedmatch und Kapilendo als relevante Player im Markt sehen würde.

Zu den größten Einschränkungen für die Weiterentwicklung des Crowdinvesting-Bereichs äußert sich Pöltner dahingehend, dass sich Crowdinvesting für Unternehmen anbietet, da beispielsweise in Österreich eine Prospektpflicht für Unternehmen bei einer Emission über 250.000 EUR bestünde. Die anderen Alternativen zum partiarischen Nachrangdarlehen wie die Nutzung der Rechtsform der GmbH sowie einer AG würden nicht funktionieren, da entweder Notarpflicht bestünde (GmbH) oder das Konstrukt sehr teuer wäre (AG). Deswegen sei einzig das partiarische Nachrangdarlehen in Deutschland und Österreich möglich. Die Prospektpflicht soll in Kürze per EU-Sofortgesetz ab 1 Million EUR europaweit gelten. Diese Entwicklung sei interessant, da dann Anleihen verkauft werden könnten. Die GmbH würde eine MiFID-Lizenz benötigen. Auch ein Unternehmen, das als AG agiert, könnte dies dann anstreben. Für sie wäre das interessant – eine Umfirmierung extra für diesen Zweck hält Pöltner jedoch für sehr teuer.

Bei der Anbahnung von neuen Kampagnen sieht sich Pöltner oftmals mit zu hohen Bewertungen der Unternehmen konfrontiert, die er dann durch die Übernahme der Bewertung aus den letzten Finanzierungsrunden, gegebenenfalls unter Einbezug von kleinen Steigerungen, kontert. Einen gut gemeinten Rat hält der Experte für Interessierte bereit, die selbst eine Kampagne betreiben wollen: Eine Einflussnahme der bestehenden Investoren im daily business, aber auch bei der Bewertung ist nicht auszuschließen und muss bei einer Crowdinvesting-Kampagne proaktiv diskutiert werden.

Als größten Unterschied im Bereich des Crowdinvestings im deutschsprachigen Raum und in den USA sieht Pöltner, dass nach einem vorherigen, streng durch die SEC kontrollierten und standardisierten Konzessionierungsprozess die praktische Umsetzung in den USA einfacher sei. Andere Modelle seien laut der Association of Government Accountants (AGA) möglich. So habe eine Plattform beispielsweise für sich selbst einen Daueremissionsprospekt erstellt und selbst für die Plattform Geld gesammelt, um sich zu finanzieren. Vieles sei möglich, aber die Auflagen seien sehr strikt. Dabei trete jedoch eine andere Einschränkung ans Tageslicht: Es sei teilweise nicht möglich, eine Konzession zu bekommen, ohne als Unternehmen bankennahe zu sein oder als Gründer oder Geschäftsführer direkt von einer Bank zu kommen. Zwar benötige eine Plattform pro Bundesstaat in den USA eine eigene Zulassung, doch sei die Größenskalierung eine andere. So decke man mit New York oder Kalifornien alleine schon einen sehr großen Markt potentiell ab. Über den chinesischen Markt kann der Experte derzeit keine Aussage treffen.

Auf die Zukunft blickend ist Pöltner der Meinung, dass sich Crowdinvesting nach Reflexion der Entwicklungen der letzten Jahre sehr gut entwickeln werde. Eine direkte Positionierung der Banken zur besseren Bedienung von Start-Ups, auch als Gegenbewegung zum Aufkommen des Crowdinvestings, sieht Pöltner als nicht notwendig an. Es müsse vielmehr klar sein, was erreicht werden muss, um eine Finanzierung zu erhalten. Die Banken würden ihr Geschäft behalten. Im ersten Bankgespräch sei meist die Rede davon, dass alles finanziert werden könne. In den Details offenbare sich oftmals, dass Sicherheiten wie Sparbücher gefordert würden. Die Kommunikation müsse angepasst werden, der Kunde, also die Unternehmen auf Finanzierungssuche, müssten klar vermittelt bekommen, was funktionieren würde und was nicht – und vor allem, warum es nicht funktioniert. Dann würden Unternehmen auch verstehen, wann sie zu welchem Player gehen müssten und wann nicht. Die klare Forderung von Pöltner lautet: Mehr Transparenz und klarere Kommunikation der Banken über die Kriterien der Kreditvergabe.

Als Risiken sieht Pöltner vor allem die Tatsache, dass eine Vielzahl von Projekten unweigerlich zu Ausfällen und den damit verbundenen Folgen führen würde. Zudem sei fraglich, wie sich eine Erhöhung des Leitzinses auf Crowdinvesting auswirken würde.

Als Beispiel für die Zusammenarbeit von Banken mit Crowdinvesting-Plattformen führt Pöltner die von CONDA zur Verfügung gestellte White Label-Plattform www.we4tourism.atan.

Als letztes Thema äußert sich Pöltner über die künftigen Entwicklungen der KMU-Finanzierung. In diesem volkswirtschaftlich bedeutsamen Segment hält er vor allem ein Ansteigen der Crowdinvesting-Aktivitäten sowie ein Zunehmen von Eigenemissionen für realistisch.

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