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Deutschland muss im internationalen Vergleich aufholen – Marcus Schmermer


Expertenmeinung Marcus Schmermer – Manager – Financial Services Advisory bei PWC

PriceWaterhouseCoopers hat als eine der führenden Unternehmensberatungen weltweit umfassenden Einblick in die verschiedensten Branchen. Marcus Schmermer stand für einige Einschätzungen zum Thema Crowdfunding und dessen Wirkung auf die Bankenlandschaft zu Verfügung. Dabei wurden auch aktuelle Problemstellungen, mit denen sich Banken konfrontiert sehen, angesprochen.

Eine der Herausforderungen, denen klassische Banken begegnen und die ihnen in der Anpassung an Kundenbedürfnisse im Wege stehen, sieht Schmermer die IT-Infrastruktur. Sie beruhe zum Teil noch auf Systembestandteilen aus den 1960er und 1970er Jahren beruht. „Die IT ist immer noch eine Herausforderung für Banken“, so der Experten. „Je mehr Zeit vergeht, desto größer wird die Herausforderung. Eine direkte Ablöse der Systeme ist nicht möglich, da die alten Systeme den neuen Anforderungen nicht entsprechen und somit auch keine zeitgemäßen Dienstleistungen wie etwa Echtzeit-Geldtransaktionen erlauben.“ Ein Lösungsansatz laut Schmermer liegt in der Einführung einer „Schattenbank“ als Green-Field-Ansatz. „Dadurch können Banken eine saubere IT-Lösung aufbauen und lösen das alte System nach und nach ab.“ Negativ bewertet Schmermer die Einführung von SAP-Systemen bei Großbanken. „Die allgemeine Komplexität in den veralteten IT-Systemen führen zu schwer kalkulierbaren Projektrisiken.“

Zu Beginn des neuen Jahrtausends hätte bereits ein Teil der Genossenschaftsbanken mit dem IT-Dienstleister Fiducia ein einheitliches IT-System eingeführt. „Sie haben ein neues System inklusive Front-End quasi über die alte Plattform gestülpt.“ Dabei wären neue Standards eingeführt und alles bis hin zu den Prozess- und Workflow-Systemen adaptiert worden.

Ein besonderes Manko sieht der Experte bei den Volksbanken, Sparkassen sowie Sparda-Banken, die noch immer Probleme bei der Umsetzung von Dienstleistungen wie eBanking hätten. Bei ihnen liege das meiste Geld der Bürger und zudem seien sie die klassischen Finanzierungspartner, die von konservativen, aber auch neuen Industrien angesprochen würden. Doch, um das Potential umsetzen  und – besonders neuartigen – Unternehmen Finanzierungen anbieten zu können, brauche es Modernisierung und grundlegendes Verständnis für neue Geschäftsmodelle. Eine moderne Bank benötige laut Schmermer dynamische und zeitgemäße IT-Systeme, um die Kundenorientierung überhaupt flexibel umsetzen zu können. „Mein Lieblingsbeispiel in diesem Zusammenhang ist die N26 Bank, die ein einziges Kernsystem hat. Sie passen nur das Front-End für die Kunden an.“ Von N26 werde als bisher einzige Bank Deutschlands die cloudbasierte SaaS-Lösung mambu verwendet. Darin seien alle Kernaspekte des Bankwesens abgedeckt. „Mit mambu kann jede Bank-Neugründung direkt durchstarten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Ein großer Datenhaushalt, keine verschiedenen Datenbestände, keine unnötigen Batch-Läufe zur Bereinigung. Dies ermöglicht beispielsweise auch Transaktionen in Echtzeit, was dem Kundennutzen entgegenkommt.“

„Ich sehe, dass sich Banken generell von den alten Modellen verabschieden und sich langsam zu Plattformen entwickeln“, so der Experte weiter. Dies ermögliche auch Cross-Selling von Zusatzprodukten. „Wenn Banken selbst nicht neu gründen wollen oder können, so könnten sie mit anderen Plattformen wie beispielsweise aus dem Crowdfunding-Bereich zusammenarbeiten und auf deren Angebote verweisen.“ Dadurch könnten die Kunden langfristig im Ökosystem gehalten werden. Somit wäre der Kunde zumindest indirekt noch immer in Kontakt mit der Bank und habe das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Der Gegensatz wäre ein Verlust des Kunden, da sein Unterstützungsgesuch einfach abgelehnt wurde. „Ich denke nicht, dass Banken selbst Crowdfunding-Plattformen betreiben werden. Dafür ist die Rendite einfach zu gering und der Workload zu hoch.“ Dennoch könnte eine Bank eine Plattform betreiben, um Daten und Kontakte von potenziellen Kunden zu erhalten.

„Banken müssen nach der Krise enorm auf ihre Risikoauslagen achten.“ Außerdem habe sich die Art und Weise der Wissensbeschaffung rund um das Thema Finanzen in Zeiten des Internets weg von Banken hin zum Internet für jedermann verlagert. „Klassische Finanzierungspartner wie Banken sind bei Neugründungen in schwer einsehbaren Industrien restriktiver geworden. Hier bietet das Crowdfunding eine Alternative für Unternehmen und Projekte. Außerdem kann sich mittlerweile jeder über verschiedene Plattformen, wie etwa Crowdlending, im Internet über Kredite direkt informieren. Der klassische Bankberater wird zwar weiterhin eistieren, doch jeder kann sich beispielsweise online vorab oder parallel schlau machen.“ Auch für Investoren hat sich einiges geändert: „Bei Crowdfunding-Plattformen können sich die Kleinanleger schnell vernetzen, Informationen austauschen und somit ihre Investitionsentscheidung begründen.“

Schmermer führt weiter aus, dass er die Tendenz sehen würde, dass Banken Kooperationen mit Startups aus dem Bereich der Financial Technologies suchen würden. „Primär geht es hier um den Zugang zu Kunden und Kundengruppen.“ Teilweise würden die Banken sich direkt beteiligen, teilweise über Tochter-Unternehmen oder Spin-Offs. „Dabei muss immer auch mit einem culture clash zwischen der Bank und dem Startup gerechnet werden. Die Bank muss erkennen, ob das Startup in die Strategie passt. Es darf nicht einfach ein Zukauf oder eine Kooperation aus dem Zwang heraus sein, dass etwas passieren muss, da man sonst der Angst verfällt, hinter der Entwicklung zurück zu fallen.“ Für einige Banken, je nach Ausrichtung, sei es nicht ratsam, jedem Startup den Finanzierungswunsch zu erfüllen. „Da geht es um Image und auch um die Angst, ob sich das Scheitern des Startups negativ auf die Bank auswirkt. Großbanken wie die Deutsche Bank zielen vor allem auf KMUs und Großunternehmen ab.“

Die heterogene Bankenlandschaft in Deutschland trage zu dieser sehr veralteten Sichtweise bei, die für Schmermer hinter Märkten wie den USA in der Entwicklung hinterher hinke. „In den Niederlanden haben die 5 größten Banken 8% Marktanteil, in Deutschland gerade mal 30%.“ Dies setze sich auch in den Geschäftsmodellen und der Anpassung an Privat- und Geschäftskunden fort. Hier seien Parallelstrukturen entstanden, die Geld und Ressourcen kosten: „ Es haben sich neue Standards etabliert. Geschäftskunden wollen sich nicht den umfangreichen Anforderungen der Banken bei Existenzgründungen ergeben. Sie haben heute durch das Internet ganz andere Möglichkeiten und Informationen zur Verfügung.“ Der Zugzwang, dem sich die Banken gegenübersehen, und die immer geringere Bedeutung klassischer Bankinstitute seien darin begründet, dass Kapital in relevanter Höhe (auch sechsstellig) über andere Kanäle wie Startup Enabler (Rocket Internet etc.) oder Crowdfunding-Plattformen bereitgestellt werden könnte.

„Damit Banken zukunftsfähig sein können, müssen sie ihre Technologie vereinfachen und auf die Kundenbedürfnisse direkt eingehen“, ist sich Schmermer sicher. Dabei gehe es auch darum, die gewonnen Daten aus dem Big Data-Pool hinreichend analysieren zu können. „Dafür müssen entsprechende Mechanismen und Algorithmen entwickelt werden.“ Dies könne sich auch für große Banken zu einem Wettbewerbsvorteil gegenüber kleinen, regional agierenden Banken und Bankverbänden entpuppen.

Am Ende spricht Schmermer den Wettbewerb der deutschen Geldinstitute mit den FinTech-Unternehmen sowie international agierenden Banken an: „Aus technologischer Sicht hat Deutschland im internationalen Feld der Banken sehr viel aufzuholen. Die Digitalisierung hat hierzulande gerade erst begonnen.“

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